30. Mai 2025
Nach einem Sommerurlaub auf der Mittelmeerinsel Korsika, schrieb Gregor für die Zeitschrift „der-Schienenbus“ einen Artikel über die dortige Eisenbahn.
Der Artikel erschien in der Ausgabe 3-2025, des Schienenbus.
Sprecher: Jürgen Kolb

Korsika, Blau = Transkorsische Eisenbahn, Rot = Tramway de Balagne, Karte: OpenStreetMap
Eisenbahn auf Korsika
Auf der Meterspur aus dem Gebirge zum Strand!
Text und Fotos: Gregor Börner
Korsika gehört zweifelsfrei zu einem der beliebtesten Urlaubsziele der Deutschen. Die Mittelmeerinsel ist wahnsinnig vielseitig, so kommen Strandurlauber genauso auf ihre Kosten wie Wanderfreunde und Naturliebhaber. Selbst für Eisenbahnfreunde bietet die Insel etwas, eine meterspurige Eisenbahn. Wenn man über die Insel, ein um 45 Grad geneigtes, großes Ypsilon malt, erhält man den ungefähren Streckenplan. Die Einheimischen nennen die Bahn „U Trinighellu“, Korsisch: Der Zitternde. Der Name lässt auf den unruhigen Lauf der teils ausgefahrenen Schienen zurückführen. Andere nennen die Bahn auch „TGV Corse“, mit einem Hochgeschwindigkeitszug hat dies aber weniger zu tun. TGV steht hier für „Train à Grande Vibration“ auf Deutsch wahrscheinlich „Wackelzug“.
Nordöstlich auf der Insel liegt Bastia, durch diese Stadt kommen viele Touristen, da hier die
großen Fährschiffe anlegen. Die meisten Besucher kommen doch mit dem eigenen Auto und der Fähre nach Korsika. Der Bahnhof von Bastia liegt fußläufig vom Hafen entfernt. Hier beginnt die „Transkorsische Eisenbahn“ über Ponte-Leccia nach Ajaccio im Südwesten. Noch im Bahnhofsbereich beginnt der „Tunnel de la Torreta“. Über dem Tunnelportal hängt der Korsenkopf, der so genannte Maurenkopf ist das Freiheitssymbol der Korsen. Die Strecke führt ca. 1,4 Kilometer durch den Berg, danach verläuft die Strecke auf den ersten Kilometern noch relativ flach. Nach etwa 21 Kilometern folgt der Bahnhof Casamozza, seit den 1980er Jahren ist hier das Bahnbetriebswerk.

Ein AMG-800 verlässt den Trennungsbahnhof Ponte-Leccio in Richtung Bastia. Das Gleis im Hintergrund gehört zur Strecke nach Calvi (Tramway de Balagne).
Das Fahrplanangebot der Insel ist eher übersichtlich. Züge welche die komplette Strecke zwischen Bastia und Ajaccio fahren gibt es nur wenige, diese werden hauptsächlich von den Touristen genutzt. Auf den Teilstücken zwischen Ajaccio und Mezzana sowie zwischen Bastia und Casamozza gibt es dichte Vorortverkehre. Zwischen L’Île-Rousse und Calvi gibt es außerdem mehrere Zugpaare um die Urlauber an die Strände zu bringen.
Von Casamozza gab es früher eine weitere Strecke. Diese führte entlang der Ostküste in den Süden. Das Streckenende war im 110 Kilometer entfernten Porto-Veccio, einige Kilometer von der südlichen Spitze entfernt. Eine geplante Verlängerung nach Bonifacio kam, durch den 2. Weltkrieg, nicht mehr zustande.
Als die deutsche Wehrmacht im Jahre 1943, bei ihrem Rückzug von der südlichen schwesterinsel Sardinien, diese Strecke zerstörte verblieb zunächst noch ein etwa 10 Kilometer langes Reststück bis nach Folelli-Orezza. Es scheiterte an den Kosten die Strecke wieder aufzubauen, so wurde im Jahr 1953 diese Strecke endgültig stillgelegt. Aktuell gibt es Pläne, die Strecke bis ins etwa 30 Kilometer entfernte Padulella-Moriani wieder aufzubauen und in den Vorortverkehr von Bastia zu integrieren.
Von Casamozza führt die transkorsische Strecke langsam bergauf nach Ponte-Leccia, dem Trennungsbahnhof der Insel. Bis hierhin führt die Strecke durch die Dörfer und über eindrucksvolle Viadukte. In Ponte-Leccia zweigt eine Strecke über L’Île-Rousse nach Calvi, an der Westküste, ab.

Viadukt über den Vecchio. Korsika hat zahlreiche dieser Flüsse, in denen man gut baden kann. Das Wasser ist so klar, dass man es wahrscheinlich trinken könnte.
Die Transkorsische Eisenbahn wird nun bergiger. Nach einigen Kilometern hat der Zug Corte, die historische Hauptstadt, erreicht. Korsika gehört heute zu Frankreich, zwischen 1755 und 1769 war die Insel eigenständig und Corte war die Hauptstadt.
Die Strecke führt nun durch das Hochgebirge der Insel. Auf dem Weg nach Ajaccio überquert die Eisenbahn das bekannte Vecchio-Viadukt. Das Viadukt hat auf beiden Seiten jeweils zwei Rundbögen und dazwischen eine Stahlkonstruktion. Auf 140m länge überquert die Strecke in 80m Höhe den Fluss Vecchio. Konstruiert wurde dieses historische Kulturdenkmal vom Architekten Gustave Eiffel, der auch den Eiffelturm in Paris bauen lies. Die Strecke führt weiter durch Gelände, welches sich am besten aus dem Zug genießen lässt. Den Fahrgast erwarten atemberaubende Aussichten auf hohe Berge und in tiefe Täler. Die Zug fährt über viele Brücken, Tunnel und Hangbauten in großer Höhe. Es folgt auch der Vizzavona-Tunnel, welcher mit 3,9 Kilometer der längste Eisenbahntunnel Frankreichs ist, der von einer Meterspurbahn befahren wird. Im Winter fällt hier sogar Schnee, welcher auf der Strecke allerdings auch geräumt wird. Auf den Passstraßen ist dies nicht immer der Fall.
Bereits einige Kilometer vor dem Ziel führt die Strecke wieder bergab, es folgt der Ort Mezzana und nach etwa 13 weiteren Kilometern die Hauptstadt der Insel, Ajaccio. Unser Zug hat nun etwa 160 Kilometer zurückgelegt.

Zwischen Calvi und L’Île-Rousse verbindet die Strecke viele Badestrände, weshalb die Bahn vermehrt Fahrgäste zu Badegästen macht. Hier steht der Zug am Haltepunkt Botri.
Die zweite Strecke der Insel führt aus dem Trennungsbahnhof Ponte-Leccia nach Calvi, die so genannte „Tramway de Balagne“. Die Strecke führt zunächst ebenfalls durchs Korsische Gebirge, bis sie bei L’Île-Rousse fast Meeresniveau erreicht. Bis dahin führt sie durch einige Tunnel und Kehrschleifen. Den Fahrgast erwarten auch hier tolle Aussichten, welche Landschaftlich anders aussehen, als auf der anderen Strecke. Ab L’Île-Rousse führt die Strecke an der Küste entlang nach Calvi. Zwischen Calvi und L’Île-Rousse verkehren die Züge in dichterem Takt. Unter den Fahrgästen sieht man viele Urlauber, denn die Strecke verbindet viele Badestrände. Die Strände an den Nord-Ost-Küsten sind sehr zu empfehlen, es gibt Sandstrände, keine Quallen und es gibt auch mal schattige Plätzchen. Nach insgesamt 73 Bahnkilometern ist hier der Endbahnhof Calvi erreicht.
Schaut man in die Züge sieht man überwiegend Touristen, der Fahrplan orientiert sich ganz an der Urlaubssaison. Im Sommer verkehren verhältnismäßig viele Züge, im Winter ist der Fahrplan sehr ausgedünnt. Der Sommerfahrplan ist dennoch mit Fahrplänen in Deutschland wenig vergleichbar, Taktfahrpläne gibt es auch nicht. Die Einheimischen nutzen die Bahn weniger, am ehesten noch in den Vorortverkehren. Urlaub auf Korsika, ganz ohne Auto, ist schwierig aber machbar, aber es sollte sich Zeit genommen werden. Zugverbindungen von Bastia nach Ajaccio gibt es nicht viele, zudem braucht der Zug knapp drei Stunden. Mit dem Auto ist man mit 2,5 Stunden, auf der selben Strecke unterwegs. Urlaubern ist es aber zu empfehlen, nicht unbedingt quer über die Insel zu fahren. Entfernungen auf Korsika bedeuten immer viel Reisezeit, da es teils sehr kurvig ist. Weite Ausflüge sind aber nicht unbedingt notwendig, denn es gibt überall viel zu entdecken. Fahrten in Auto oder Bahn können auch immer mal durch freilaufende Kühe, Schweine oder Ziegen unterbrochen werden. Die korsischen Schweine sind eine wilde Kreuzung aus Wildschwein und Hausschwein und schmecken als geräucherter korsischer Schinken „Coppa“ würzig und lecker.

Der Endbahnhof Calvi

Am Strand liegen und mal schnell den Zug fotografieren kann man bei L’Île-Rousse recht gut. Da der Zug von Calvi in L’Île-Rousse wendet, kommt er oft schon nach ca 15 Minuten zurück. Ein perfektes Bild am Mittelmeer.
Auf der Strecke nach Calvi sieht es, abgesehen von den Strandzügen, auch eher übersichtlich im Fahrplan aus. Der Corse liebt sein Auto und fährt damit gerne viel zu schnell, so ist zumindest der Eindruck des Autors nach 2 Wochen Urlaub auf der Mittelmeerinsel. Aber als Urlauber kann man die Eisenbahn gut mit dem eigenen Auto kombinieren. Es gibt zwar nicht an jedem Bahnhof Parkplätze, aber an vielen. Da Flüge nach Korsika selten und teuer sind, kommen ohnehin die meisten Touristen mit den Autofähren aus Norditalien oder Frankreich. Leider gibt es kein Autozugangebot von Deutschland aus, welche die Urlauber in die Nähe einer italienischen oder französischen Hafenstadt bringen, von wo die Fähren nach Korsika fahren.
Wanderern kann man aber die Eisenbahn sehr ans Herz legen. Denn man gelangt mit dem Zug in Regionen, auf der Insel, zu denen nur wenige Straßen führen.
Gebaut wurden die Korsischen Eisenbahnen, in den Jahren 1888 bis 1935, unter der CFD (Compagnie des Chemins de Fer Départementaux), einem Betreiber verschiedener Nebenstrecken in Frankreich. Der Vertrag zwischen dem französischen Staat und der CFD lief während des zweiten Weltkrieges aus. Als zu diesem Zeitpunkt die Strecke an der Ostküste durch die deutsche Wehrmacht zerstört wurde und zugleich die rentabelste Strecke der Insel wegfiel, war die CFD nicht bereit die korsische Eisenbahn weiter zu betreiben. So wurde die Bahn noch einige Jahre durch das französische Militär weiterbetrieben, allerdings war die Bahn nicht rentabel.

Der Zug fährt an einer Gaststätte vorbei. Da der Strand auf der anderen Gleisseite liegt, laufen die Touristen und Einheimischen hier „einfach über die Schienen“, als deutscher Eisenbahner kann man kaum hinsehen.
In den 1960er Jahren erschienen die korsischen Eisenbahnen so unwirtschaftlich, dass diese stillgelegt werden sollten, dies scheiterte aber am korsischen Widerstand. Der neue Betreiber war die SACFS (Société Auxiliaire pour les Chemins de Fer Secondaires), welche die Eisenbahn aber auch nur unter hohen Zuschüssen betreiben konnte. Ab 1971 übernahm die CFTA (Société Générale de Chemins de Fer et Transports Automobiles) den Betrieb, bis schließlich im Jahr 1983 die französische Staatsbahn SNCF den Betrieb übernahm und das komplette Streckennetz sanierte.
Die Korsen lassen sich, bis heute, ungern vom Festland reinreden, sie wären lieber eigenständig. So kam es im Jahr 2012 zur Ausgliederung der Bahn aus der SNCF und zur Gründung der CFC als eigenständiger Betreiber. Die CFC ist bis heute der Betreiber der korsischen Eisenbahn als gemeinwirtschaftliche kommunale Aktiengesellschaft.
Noch zu Zeiten der SNCF wollte man moderne Fahrzeuge auf der Insel einsetzen, damit versuchten sie die Reisezeiten, zwischen Bastia und Ajaccio zu verkürzen. Die damals neu beschafften Dieseltriebwagen „AMG-800“ mussten aber schon nach einiger Zeit aus dem Verkehr gezogen werden, da die Bremsen zu stark verschlissen. Weitere Schwierigkeiten machten die Klimaanlagen und die Kardanwellen. Zwischenzeitlich wurden bereits viele der alten Triebwagen, des Herstellers „Soulé“, verschrottet oder an irgendwelchen Unterwegsbahnhöfen abgestellt. Diese findet man noch heute.
So fahren die AMG-800 heute hauptsächlich zwischen Bastia und Ajaccio und die älteren Dieseltriebwagen, zusammen mit ihren Steuerwagen, aus den Jahren 1989/1990, hauptsächlich zwischen Calvi und L’Île-Rousse.

Abgestellte alte Triebwagen im Bahnhof Francardo. Erst bei genauerer Betrachtung fällt auf, dass nicht alle Züge noch auf einem Gleis stehen.
Die größeren Bahnhöfe sind noch mit Personal besetzt. So können die Fahrgäste, klassisch am Schalter, ihre Fahrkarten kaufen. Wer an Haltepunkten zusteigen möchte, kann beim Schaffner eine Fahrkarte erwerben. In der Hauptsaison sind die Züge relativ voll, so dass es sich lohnen könnte, in der Nebensaison mitzufahren. Für Touristen wird eine Wochenkarte angeboten, mit der alle Strecken befahren werden können.
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1 Kommentar
Ja, schon, aber 1983, als wir ohne Auto auf der Insel waren und gewandert bzw. getrampt sind, waren da noch richtig alte Fahrzeuge unterwegs:
https://hutmachergass.de/hmg3/bilder/reisen/19830831-13-Korsika.jpg
https://hutmachergass.de/hmg3/bilder/reisen/19830907-17-Korsika.jpg